Zwischenwahlkampf 2022 geht in die heiße Phase

US-Wahl 2022

Die diesjährigen Midterms stehen kurz bevor und könnten glimpflicher für die Demokratische Partei ausgehen als noch zu Beginn des Jahres erwartet worden war.

Weniger als vier Wochen vor den Zwischenwahlen am 8. November 2022 gehen die Kampagnen in die heiße Wahlkampfphase über. Weiterhin ist unklar, welche Partei ab kommendem Januar die Kontrolle über den US-Senat übernehmen wird. In den vergangenen Wochen dominierten insbesondere drei Themenbereiche den Wahlkampf: Inflation, Kriminalität und Abtreibung.

Senatskontrolle auf der Kippe

Anders als das Repräsentantenhaus, für das die Republikaner:innen favorisiert sind, befinden sich die demokratischen Kandidat:innen für den US-Senat aktuell in einer guten Position, ihre hauchdünne Mehrheit zu verteidigen. Fünf Rennen haben sich zuletzt als besonders knapp herauskristallisiert. In Ohio, North Carolina, Nevada, Wisconsin und Indiana liegen die führenden Kandidat:innen im Umfrageschnitt weniger als drei Prozent vor ihren Kontrahent:innen. Diese Staaten sind besonders umkämpft und es ist völlig offen, wer dort am 8. November siegreich hervorgeht.

In Ohio, liegt der Republikaner J.D. Vance im Umfrageschnitt weniger als einen Prozentpunkt vor dem demokratischen Kongressabgeordneten Tim Ryan. Bisher ist der Sitz in der Hand des Republikaners Rob Portman, der nicht erneut angetreten ist. Ohio hat in den vergangenen Jahren zunehmend republikanischer gewählt. Während Barack Obama den Staat zweimal gewinnen konnte, siegte dort Donald Trump 2016 und zuletzt 2020 gegen Joe Biden. Tim Ryan versucht nun mit einem Fokus auf Arbeitnehmerrechte und die Revitalisierung des verblassenden Industrieschwergewichts Ohio den einstigen Inbegriff eines Wechselstaats wieder auf die demokratische Seite zu ziehen.

Zu den Senatsumfragen in Ohio

Nevada wiederum hat sich in den vergangenen Jahren fest als Wechselstaat etabliert. Mit Ausnahme des Votums für Hillary Clinton ging der Staat seit 1980 immer an den späteren US-Präsidenten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den anderen Nevada-weiten Wahlen. Im aktuellen Umfrageschnitt liegt US-Senatorin Catherine Cortez Masto rund eineinhalb Prozent hinter ihrem Herausforderer, dem Republikaner Adam Laxalt. Der ehemalige Generalstaatsanwalt von Nevada hat beste Chancen, den demokratischen Sitz zu gewinnen. Dafür ist unter anderem Cortez Mastos relativ großen Unbeliebtheit verantwortlich. 44,6 Prozent von Nevadas Wähler:innen sind einer Umfrage der Suffolk University von Anfang Oktober mit der US-Senatorin unzufrieden.

Wie so oft bei Nevadas Wahlen dürften auch in diesem Jahr wieder die Hispanic-Wähler:innen mitbestimmen, wer den Senatssitz gewinnen wird. Im Rahmen des Hispanic Heritage Month hat Laxalts Kampagne verstärkt um die wichtige Bevölkerungsgruppe geworben, wie das Las Vegas Review-Journal berichtet. Die Hispanic- und Latino-Bevölkerung macht in Nevada knapp unter 30 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Zu den Senatsumfragen in Nevada

In den anderen drei Staaten liegt jeweils der republikanische Amtsinhaber in Führung. Dass ausgerechnet die Wiederwahlkampagne des republikanischen Amtsinhabers Todd Young im konservativen Indiana nur einen geringen Umfragevorsprung aufweist, überrascht. Bisher gibt es aber auch nur zwei Umfragen zu diesem Rennen. Aussagekräftiger ist dagegen, dass Young Ende September mehr als dreizehnmal so viel Geld zur Verfügung hatte wie sein demokratischer Kontrahent Thomas McDermott.

Das Rennen erinnert an die Senatswahl 2020 in Alaska. Damals zeigten die Umfragen den unabhängigen Kandidaten Al Gross in Schlagweite zum republikanischen US-Senator Dan Sullivan. Letztendlich gewann der Amtsinhaber aber mit einem komfortablen Vorsprung von mehr als 12 Prozentpunkten. Ein ähnlicher Ausgang ist auch in diesem Jahr in Indiana zu erwarten. So stuft der Cook Political Report das Rennen weiterhin als „Solide Republikanisch“ ein und FiveThirtyEight gibt Todd eine 97 in 100 Chance, die Wahl zu gewinnen.

Stattdessen sollten eher die Senatswahlen in Georgia, Pennsylvania und Arizona im Blick behalten werden. Bei all diesen Rennen führen aktuell die demokratischen Kandidaten. Allerdings haben verschiedene republikanische Gruppen angekündigt, die Wahlkämpfe der dortigen Senatskandidaten auf den letzten Metern mit mehreren Millionen US-Dollar zu unterstützen. In Georgia unterstützt die Trump-Super-PAC MAGA Inc. Herschel Walkers Wahlkampf mit Anzeigenbuchungen in Höhe von 750.000 US-Dollar. Mit 770.000 US-Dollar schaltet die Trump-Organisation zudem TV-Wahlwerbung für die Kampagne von Mehmet Oz in Pennsylvania. Zudem bekommt Oz Rückendeckung von American Crossroads, die mit 4,1 Millionen in das Rennen eingreift. In Arizona wiederum hat der Venture Capitalist Peter Thiel in Aussicht gestellt die Kandidatur von Blake Masters wie bereits bei den Vorwahlen zu unterstützen. Einem Bericht von Politico zufolge kam es bisher aber nicht zu einer Einigung über eine Beteiligung der politischen Organisation des republikanischen Senatschefs Mitch McConnell.

Diese Rennen könnten auch dann auf der Kippe zu den republikanischen Kandidaten stehen, falls die Umfragen die reale Unterstützung der Wähler:innen für die Republikaner:innen unterschätzen, wie es beispielsweise 2016 der Fall war.

Republikaner:innen sprechen über Inflation und Kriminalität

Im September lag die Inflationsrate in den Vereinigten Staaten mit 8,2 Prozent weiterhin auf einem hohen Niveau – trotz eines geringen Rückgangs zum Vormonat. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Inflation und Lebenshaltungskosten sowie die Wirtschaft und Jobs zu den

wichtigsten Themen der US-Wähler:innen gehören. Während die republikanischen Kandidat:innen die Biden-Administration für die gestiegenen Kosten verantwortlich machen, weisen Demokrat:innen die Schuld der geopolitischen Lage in Bezug auf den Ukraine-Krieg und Großkonzernen als Preistreibern zu.

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Mit der Kriminalitätsbekämpfung haben republikanische Kampagnen mittlerweile noch ein weiteres Thema gefunden, das verstärkt in den Vordergrund rückt. So wettert beispielsweise der republikanischen US-Senators John Kennedy aus Louisiana in einem TV-Werbeclip gegen vermeintliche demokratische Bemühungen, die Finanzierung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden zu kürzen oder komplett zu streichen.

In Wisconsin muss sich der demokratische Senatskandidat Mandela Barnes für frühere Aussagen rechtfertigen, dass Gelder von „aufgeblähten Budgets in den Polizeibehörden“ stattdessen in den Sozialhaushalt fließen sollten. Ähnlich ergeht es John Fetterman in Pennsylvania, der 2015 die Dekriminialisierung aller Drogen befürwortete und sich als Leiter der Begnadigungskommission von Pennsylvania mit Nachdruck unter anderem für die Gnadengesuche von verurteilten Mörder:innen eingesetzt hat, wenn diese lange Haftstrafen verbüßt und gezeigt haben, dass sie rehabilitiert sind, wie der Philadelphia Enquirer berichtet.

Abtreibungsrechte – die große Unbekannte

Für viele demokratische Kandidat:innen sind Abtreibungsrechte ein entscheidendes Thema, auf das sie in ihrem Wahlkampf einen großen Schwerpunkt legen. Dass Abtreibungsrechte Wahlen gewinnen können, hat die Nachwahl in New Yorks 19. Kongresswahlkreis gezeigt. Dabei gewann Ende August der Demokrat Pat Ryan überraschend, nachdem er seinen Wahlkampf nahezu komplett auf den Schutz von Schwangerschaftsabbrüchen ausgerichtet hatte. Sein republikanischer Kontrahent hingegen scheiterte mit der auf Inflationsbekämpfung ausgerichteten Kampagne.

Welchen Einfluss das Dobbs-Urteil und die anschließend in zahlreichen Bundesstaaten in Kraft getretenen Abtreibungsverbote auf die Zwischenwahlen haben werden, ist eine der großen Unbekannten des Zwischenwahlkampfs. Für die Demokrat:innen besteht die Hoffnung, dass das Thema die eigenen Wähler:innen mobilisiert. Denn Zwischenwahlen sind traditionell eher von einer niedrigeren Wahlbeteiligung geprägt, als Präsidentschaftswahljahre. Zudem könnte das Thema für Wählerinnen den Ausschlag geben, für die Demokratische Partei zu stimmen. Diese wichtige Wahlgruppe war bereits bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren mit dafür verantwortlich, dass die Demokratische Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen konnte.

Bundesstaaten im Fokus

Sollte Abtreibung zu einem wahlentscheidenden Thema werden, könnte sich das vor allem bei den Wahlen auf Staatsebene bemerkbar machen – etwa für die Posten der Gouverneur:innen und Generalstaatsanwält:innen wie in Arizona. Dort hat im September ein Gericht ein mehr als 100 Jahre altes Abtreibungsverbot in Kraft treten lassen, das nahezu alle Schwangerschaftsabbrüche untersagt. Anfang Oktober hat ein Berufungsgericht das Gesetz ausgesetzt, bis das Berufungsverfahren abgeschlossen ist.

Arizonas demokratische Kandidatin für das Generalstaatsanwält:innenamt, Kris Mayes, hat angekündigt, niemanden dafür strafrechtlich zu verfolgen, Abtreibungen durchzuführen oder in Anspruch zu nehmen. Die demokratische Gouverneurskandidatin Katie Hobbs wiederum plant, einen Gesetzgebungsprozess einzuleiten, um Abtreibung in Arizona zu legalisieren.

„Gleich am ersten Tag werde ich eine Sondersitzung der Legislative einberufen, um das drakonische Gesetz von 1901 aufzuheben“, erklärt Hobbs auf ihrer Website. „Wenn die Republikaner in der Legislative den Willen ihrer Wähler nicht respektieren und die Gesundheit der Frauen nicht schützen, werde ich mich zusammen mit den Befürwortern der reproduktiven Gesundheitsfürsorge unseres Staates für eine Volksabstimmung einsetzen, um das Abtreibungsverbot aufzuheben und durch ein Gesetz zu ersetzen, das mit den Überzeugungen der großen Mehrheit der Bürger Arizonas übereinstimmt.“

Dass die Abtreibungsdebatte eine ist, die republikanische Kandidat:innen lieber nicht führen würden, zeigen auch ihre revidierten Positionen nach den erfolgreich überstandenen Vorwahlen. So lobte Hobbs‘ republikanische Kontrahentin Kari Lake vor ihrem Vorwahlsieg noch das mehr als 100 Jahre alte Abtreibungsverbot und erklärte, dass sie ein Gesetz unterzeichnen würde, das Abtreibungen ab der 6. Schwangerschaftswoche verbietet. Inzwischen schlägt Lake versöhnlichere Töne an: „Das Gesetz ist das Gesetz und wir müssen uns daran halten, was auch immer das Gesetz sein wird,“ sagte Lake bei einer Wahlkampfveranstaltung. „Egal wie man gezeugt wurde, jedes Leben hat einen Wert.“

Lakes Vorgehen ähnelt dem zahlreicher republikanischer Kandidat:innen im ganzen Land. So hat der Senatskandidat Herschel Walker bei der TV-Debatte gegen den demokratischen Amtsinhaber Raphael Warnock erklärt, das aktuelle Abtreibungsgesetz Georgias zu unterstützen, das Ausnahmen im Fall von Vergewaltigung, Inzest und Gefahr für das Leben der Mutter vorsieht. Bisher forderte Walker ein Abtreibungsverbot ohne Ausnahmen. Arizonas Senatskandidat Blake Masters wiederum strich nach seinem Vorwahlsieg mehrere Passagen zu seinen Abtreibungspositionen von seiner Kampagnen-Website – darunter die Forderung nach einem Bundesgesetz, das Föten vom Moment der Empfängnis als Personen einstuft und damit Abtreibung mit Mord gleichsetzt.

Allerdings ist Abtreibung kein Thema, das die Demokrat:innen alleine für sich behaupten können. Immer wieder kommt auch die Frage danach auf, welche Grenzen sie für Schwangerschaftsabbrüche vorsehen. Zuletzt gaben beispielsweise weder Hobbs noch Warnock dazu konkrete Antworten, sondern sprachen sich dafür aus, diese Entscheidung bei den betroffenen Frauen belassen zu wollen.

Im Fall von Hobbs haben die Republikaner:innen die Aussage direkt genutzt, um die Demokratin und ihre Position als extrem darzustellen. Auf Twitter deutete der Kommunikationsdirektor der Republikanischen Gouverneursvereinigung (RGA) Jesse Hunt Hobbs‘ Aussage, die Entscheidung über eine Abtreibung einer Frau und ihrem Arzt zu überlassen, dazu um, dass sie Abtreibungen bis zum Moment der Geburt unterstütze.