Kampf um Abtreibungsrechte verändert Zwischenwahlkampf

US-Wahl 2022

Das Nachwahlergebnis in New Yorks 19. Kongresswahlkreis hat bestätigt, dass sich die Aufhebung des landesweiten Rechts auf Abtreibung auch auf den angelaufenen Zwischenwahlkampf auswirkt. Die ersten Kandidat:innen und Kampagnen mussten bereits reagieren.

Die Nachwahl in New Yorks 19. Kongresswahlkreis in der vergangenen Woche hat bewiesen, was viele Demokrat:innen seit Wochen gehofft haben: Das Ende von Roe v. Wade mobilisiert Wähler:innen für Joe Bidens Partei – trotz dessen niedrigen Beliebtheitswerten. Der Sieg des demokratischen Kandidaten Pat Ryan war unter anderem deswegen so Richtungsweisend, da der Wahlkampf weder durch Skandale oder schwache Kandidat:innen geprägt war. Stattdessen bildete er einen idealen Testversuch für die Themen Abtreibung und Inflation, auf die die beiden Parteien auch bei den Zwischenwahlen im November jeweils setzen wollen.

Noch zu Jahresbeginn standen die Zeichen zumindest bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus für die Republikanische Partei klar auf Sieg. Seitdem der Supreme Court allerdings Ende Juni das landesweite Recht auf Abtreibung aufgehoben hat, haben die demokratischen Kandidat:innen bei allen Kongressnachwahlen besser abgeschnitten als erwartet, wie eine Analyse von FiveThirtyEight zeigt.

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Gleichzeitig haben Abtreibungsrechte als Wahlkampfthema stark an Wichtigkeit für die Amerikaner:innen zugelegt, wie eine aktuelle Umfrage vom Pew Research Center zeigt. Im Vergleich zur März-Befragung des Instituts hat Abtreibung einen 13-prozentigen Sprung als „sehr wichtiges“ Thema für die Befragten gemacht. Die große Zunahme von 43 auf 56 Prozent kam nahezu ausschließlich durch Demokrat:innen sowie Unabhängige, die zur Demokratischen Partei tendieren, zustande. Mit 77 Prozent bleibt jedoch weiterhin die Wirtschaft das wichtigste Thema.

Für die Demokratische Partei scheinen Abtreibungsrechte bei der anstehenden Wahl das Potenzial zu haben, das einende und motivierende Thema zu sein, das sie 2018 und 2020 in Form von Donald Trump hatten. Ob es der Partei aber gelingen wird, die Motivation ihrer Unterstützer:innen über die kommenden zwei Monaten bis zu den Zwischenwahlen auf diesem Niveau zu halten, bleibt abzuwarten.

Inzwischen haben die die ersten Kandidat:innen und Kampagnen auch auf das Supreme Court Urteil sowie die Erkenntnisse der New Yorker Nachwahl reagiert:

  • Beto O’Rourke hat seine ersten beiden Wahlwerbespots gegen den texanischen Gouverneur Greg Abbott komplett auf Abtreibungsrechte ausgerichtet. Die beiden TV-Spots wurden erstmals vergangene Woche Donnerstag ausgestrahlt – dem Tag an dem das von Abbott im vergangenen Jahr unterzeichnete Trigger-Gesetz zur Einschränkung der Abtreibungsrechte in Texas in Kraft getreten ist, mit dem Abtreibungen ohne Ausnahmen für Vergewaltigung oder Inzest verboten wurden.
  • In North Carolina plant eine demokratische Wahlkampforganisation 750.000 US-Dollar für die TV-Platzierung eines Wahlwerbevideos auszugeben. Der TV-Clip kritisiert die Abtreibungsposition des republikanischen Senatskandidaten Ted Budd und soll die Kampagne der Demokratin Cheri Beasley unterstützen.
  • Blake Masters, der republikanische Senatskandidat in Arizona, hat einem Bericht von NBC News zufolge seine Abtreibungs-Position abgeschwächt und ließ entsprechende Passagen von seiner Kampagnen-Website entfernen. In einem TV-Spot wirft er nun dem demokratischen Amtsinhaber Mark Kelly vor, derjenige zu sein, der die extremeren Abtreibungspositionen vertritt.
  • Colorados Joe O’Dea sah sich gezwungen, seine eigene Position klarzustellen, nachdem ein Werbespot seines demokratischen Kontrahenten, des US-Senators Michael Bennett, ausgestrahlt wurde. O’Dea hatte bisher nur erklärt, dass er Abtreibungen im frühen Stadium einer Schwangerschaft befürwortete. Jetzt erklärte O’Dea, dass er Abtreibungen nur bis zur 22. Woche nach dem letzten Menstruationszyklus oder im Falle von Inzest, Vergewaltigung oder aus medizinischer Notwendigkeit erlauben würde.
  • Im Bundesstaat Washington musste die republikanische Senatskandidatin Tiffany Smiley in einer ihrer TV-Anzeigen klarstellen, dass sie Abtreibung ablehnt, aber kein landesweites Abtreibungsverbot befürwortet. Ein Werbespot der demokratischen US-Senatorin Patty Murray hatte zuvor genau das behauptet.