Vier Szenarien für die Zwischenwahlen 2022 und ihre Konsequenzen
Wenige Stunden, bevor die Wahllokale für die Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten öffnen, dominiert die Unsicherheit. Die letzten Prognosen deuten zumindest im Repräsentantenhaus auf einen Wahlsieg der Republikanischen Partei hin. Ob es aber letztendlich dazu kommt und wie es mit dem Senat ausgehen wird, ist völlig offen.
Aktuell kontrolliert die Demokratische Partei neben dem Weißen Haus auch beide Kammern des Kongresses. Je nachdem, wie die Wahlen dort ausgehen, wird das maßgebliche Auswirkungen auf die US-Politik in den kommenden zwei Jahren haben.
Szenario 1: Republikaner:innen gewinnen das Repräsentantenhaus
In den letzten Wahlkampfwochen haben die Republikaner:innen wieder an Zustimmung zugelegt und auch Prognosen wie die von FiveThirtyEight, Politico und dem Economist halten es für wahrscheinlich, dass die Republikanische Partei eine Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen wird.
Sollte dieser Fall eintreten, hätte die jetzige Oppositionspartei ab Januar die Möglichkeit, Untersuchungen der Biden-Regierung einzuleiten. Der aktuelle Minderheitsführer der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus Kevin McCarthy hat am Wochenende in einem Interview mit CNN erklärt, unter anderem den chaotischen Abzug aus Afghanistan sowie die Herkunft des Corona-Virus untersuchen zu wollen. Ähnlich lief es bereits vor zwölf Jahren ab, als die Republikaner:innen im dritten Jahr der Obama-Präsidentschaft die Kontrolle über das Unterhaus erlangten.
Mit der Kontrolle über das Repräsentantenhaus würde die Republikanische Partei auch gleichzeitig die Möglichkeit bekommen, Impeachments einzuleiten. So kann beispielsweise ein Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden selbst, seine Minister:innen oder von ihm ernannte Behördenleiter:innen initiiert werden. Gegenüber CNN äußerte sich McCarthy eher zurückhaltend, was die Möglichkeit eines Impeachments anbelangt.
„Wir werden ein Amtsenthebungsverfahren niemals für politische Zwecke einsetzen“, sagte McCarthy. „Das heißt aber nicht, dass wir es nicht auch zu einem anderen Zeitpunkt einsetzen würden, wenn es sich anbietet.“ Somit lässt McCarthy die Möglichkeit offen, doch ein Impeachment anzustrengen.
So bleibt auch offen, ob er seine Fraktion davon überzeugen kann, sich nicht mit einem Impeachment von Joe Biden für die beiden Impeachments von Donald Trump zu revanchieren. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ohio versicherte die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene am Vorabend der Zwischenwahlen den Anwesenden, dass sie Joe Biden impeachen „könnten und werden“.
Die Kontrolle der Republikaner:innen über das Repräsentantenhaus wie auch über den Senat würde der Biden-Agenda ein schlagartiges Ende setzen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die republikanische Fraktion massive Einschnitte bei künftigen Haushaltsverhandlungen durchzusetzen versuchen würde.
Szenario 2: Republikaner:innen gewinnen den Senat
Sollten die Republikaner:innen eine Mehrheit von mindestens 51 Stimmen im Senat bekommen, würden sie wie auch beim Repräsentantenhaus einen Teil des Gesetzgebungsprozesses bestimmen. So müsste die Biden-Regierung zwangsläufig mit der dortigen Führung verhandeln, wenn sie Gesetzesvorhaben durch den Kongress bringen wollte.
Die Kontrolle über den Senat würde der Republikanischen Partei außerdem erlauben, Joe Biden daran zu hindern, offene Posten an Bundesgerichten zu besetzen. 2016 trieben die Republikaner:innen ihre Blockade auf die Spitze und verweigerten Barack Obamas Nominierten für den Supreme Court, Merrick Garland, jegliche Anhörung. Das ermöglichte Donald Trump elf Monate nachdem der Sitz am Obersten Gerichtshof frei geworden war, Neil Gorsuch für den Posten zu nominieren.
Die Republikaner:innen könnten also für die restlichen zwei Jahre von Joe Bidens erster Amtszeit die Bestätigung aller Nominierten für Richter:innen- und Regierungsposten blockieren.
Szenario 3: Republikaner:innen gewinnen den Kongress
Für den Fall, dass die Republikanische Partei sowohl im Senat als auch dem Repräsentantenhaus siegreich sein werden, könnten sie die Biden-Regierung von zwei Fronten unter Druck setzen.
Zudem hätte die Partei wesentlich mehr Einfluss in Verhandlungen mit dem Weißen Haus. Dies könnte besonders relevant werden, wenn die Vereinigten Staaten voraussichtlich 2023 die Schuldengrenze erreichen werden und diese dann angehoben werden muss. McCarthy hat bereits gesagt, dass er Bedingungen wie Ausgabenkürzungen an die Anhebung der Schuldengrenze stellen könnte.
Szenario 4: Demokrat:innen halten den Kongress
Sollte es der Demokratischen Partei trotz der Prognosen, die das genaue Gegenteil erwarten, gelingen, die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses zu behalten, kann die Partei weiter daran arbeiten, die Biden-Agenda umzusetzen.
Viel würde dann davon abhängen, wie viele Senator:innen die Demokrat:innen stellen können. Mit mehr als 52 Abgeordneten im Senat könnte die Partei in der Lage sein, den legislativen Filibuster aufheben, der eine Mehrheit von 60 Senator:innen voraussetzt, um die Debatte zu einem Gesetz zu beenden und es zur Abstimmung zu bringen. Bisher haben die beiden moderateren Demokrat:innen Kyrsten Sinema und Joe Manchin Filibuster-Ausnahmen verhindert. So könnten die Demokrat:innen unter anderem Abtreibungsrechte kodifizieren.
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