Oregon und Oklahoma: Gouverneurswahlen steuern auf Überraschung zu
Oregons Gouverneur Victor Atiyeh gelang 1982 ein imposantes Kunststück: Bei seiner Wiederwahl siegte er nicht nur mit einem Vorsprung von mehr als 25 Prozentpunkten, sondern gewann auch die Mehrheit in jedem einzelnen der 36 Counties des Westküstenstaates. Atiyeh war der letzte Gouverneur, der einen Sieg mit solch breiter Unterstützung erringen konnte und gleichzeitig auch der bisher letzte republikanische Gouverneur Oregons.
Seitdem ist das Amt fest in demokratischer Hand und der Staat stetig demokratischer geworden. Inzwischen liegen alle Wahlämter in demokratischer Hand und 2020 gewann Joe Biden die acht Wahlstimmen des Westküstenstaates mit mehr als 16 Prozentpunkten Vorsprung.
Eine ähnlich deutliche Hochburg ist der Südstaat Oklahoma. Dort hat allerdings die Republikanische Partei die Oberhand. Donald Trump besiegte 2020 Joe Biden in Oklahoma mit einem Abstand von 33 Prozentpunkten. Zudem gewann seit mehr als zehn Jahren kein:e Demokrat:in mehr ein Oklahoma-weites Amt.
Doch genau diese Vorherrschaft könnte am 8. November in beiden Bundesstaaten ein Ende finden – ausgerechnet durch zwei Kandidatinnen, die sich gegen ihre bisherige Partei gestellt haben.
Dreikampf in Oregon
Ein Abstand von weniger als einem Prozentpunkt zwischen den beiden führenden Kandidat:innen ist normalerweise ein Phänomen von Wechselstaaten wie Georgia, Michigan oder Pennsylvania. Dass die Gouverneurswahl in der demokratischen Hochburg Oregon nicht nur den aktuell drittengsten Umfrageschnitt hinter Nevada und Wisconsin aufweist, sondern auch die republikanische Kandidatin in Führung liegt, ist also mehr als bemerkenswert.
Da die demokratische Gouverneurin Kate Brown nicht erneut kandidieren darf, gibt es kein:e Kandidat:in mit Amtsbonus im Rennen. Außerdem lagen die republikanischen Kandidat:innen bei den letzten Gouverneurswahlen immer nur wenige Prozentpunkte hinter den siegreichen Demokrat:innen. In einem Zwischenwahljahr, bei dem alle Zeichen auf einen Denkzettel gegen Präsident Biden stehen, haben die Republikaner:innen also die ideale Ausgangslage, in Oregon nach dem großen Preis zu greifen.
Zusätzlich hat die Gouverneurswahl eine ganz eigene Dynamik entwickelt. So kandidieren nicht nur die Republikanerin Christine Drazan und die demokratische Kandidatin Tina Kotek für das höchste Amt des Staates. Auch die Unabhängige Betsy Johnson steht zur Wahl und bewegt sich im zweistelligen Prozentbereich. Obwohl sie zuletzt an Zuspruch verloren hat, dürfte die ehemalige Demokratin maßgeblichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben.
Bis sie 2021 ihr Mandat als Abgeordnete im Senat von Oregon niedergelegt hatte, um als Unabhängige für den Gouverneursposten zu kandidieren, war Johnson Mitglied der demokratischen Fraktion. Dort vertrat sie eher moderate Positionen und stimmte mehrmals gegen ihre eigene Fraktion. Johnsons Kampagne ist entsprechend auf die politische Mitte ausgerichtet und bietet vor allem moderaten Republikaner:innen, Demokrat:innen und unabhängigen Wähler:innen eine politische Option neben den beiden großen Parteien.
Da in Oregon keine Stichwahlen vorgesehen sind, reicht eine einfache Mehrheit für den Sieg. Zuletzt hat eine Umfrage von Data for Progress gezeigt, dass acht Prozent der demokratischen Befragten für Johnson stimmen würden, aber nur fünf Prozent der Republikaner:innen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam zuvor auch eine Umfrage von Emerson College. In einem Rennen, bei dem die Spitzenkandidat:innen in den Umfragen weniger als einen Prozentpunkt auseinanderliegen, kann eine solche Marge wahlentscheidend sein.
Am Ende könnte Johnsons Kandidatur mit dazu beitragen, dass mit Christine Drazan erstmals seit 36 Jahren wieder ein:e Republikaner:in den Staat führt. Die ehemalige Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus von Oregon hat sich aber selbst erst in diese komfortable Situation an der Spitze des Feldes gebracht. So hat Drazan ihre Abtreibungsposition zuletzt wie so viele ihrer Parteikolleg:innen heruntergespielt. Zudem hat sie ihren Wahlkampf vornehmlich auf die öffentliche Sicherheit ausgerichtet.
Besonders im Fokus stehen bei ihr die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Drogen. So will sie einen „Obdachlosigkeits-Notstand“ ausrufen und darauf hinarbeiten, einen Volksentscheid von vor zwei Jahren aufzuheben, der den Besitz harter Drogen entkriminalisiert und ein Suchtprogramm finanziert hat. Trotz der zahlreichen Probleme mit der aktuellen Gesetzeslage waren einer weiteren Umfrage von Data for Progress zufolge 58 Prozent der befragten Wähler:innen in Oregon Ende August dafür, das Gesetz beizubehalten.
Republikanerin wechselt in Oklahoma die Seiten
Wer kann im tiefroten Oklahoma einen republikanischen Gouverneur aus dem Amt jagen? Möglicherweise eine Kandidatin, die bisher selbst Republikanerin war. So war zumindest die Hoffnung der demokratischen Vorwähler:innen, die die direkt gewählte Bildungsministerin des Staates, Joy Hofmeister, im Juni als Gouverneurskandidatin nominierten. Hofmeister wechselte vor etwa einem Jahr die Seiten und kandidierte als Demokratin für das Gouverneursamt des Staates.
Nachdem Amtsinhaber Kevin Stitt in der frühen Wahlkampfphase oftmals mehr als 15 Prozentpunkte vor Hofmeister lag, ist der Zuspruch für die Demokratin in den letzten Wahlkampfwochen stetig gestiegen – und mit ihr die Siegeschancen der 58-Jährigen. Inzwischen ist Stitts Vorsprung im Umfrageschnitt auf weniger als drei Prozentpunkte zusammengeschmolzen. Die eigentlichen Umfragen gehen allerdings teils weit auseinander.
Zu den Umfragen der Gouverneurswahl 2022 in Oklahoma
Die Republikaner:innen scheinen Hofmeisters Aufholjagd als echte Gefahr für Stitts Wiederwahl sehen. So investiert die Republikanische Gouverneursvereinigung (RGA) auf den letzten Metern noch eine siebenstellige Summe in TV-Werbung zur Unterstützung von Stitts Wahlkampf, wie Politico berichtet.
Dass Stitt sich überhaupt in dieser Situation befindet, hat unter anderem mit den Stämmen amerikanischer Ureinwohner:innen zu tun, die in Oklahoma ansässig sind. Der Zwist zwischen Stitt, der selbst Mitglied der Cherokee Nation ist, und den Stämmen begann bereits zu Beginn seiner Amtszeit. Damals versuchte er den Glücksspielvertrag mit den Stämmen zu ändern. Allerdings scheiterte er mit seinem Vorhaben und brachte die Stämme in den vergangenen Jahren immer wieder gegen sich auf.
Anfang Oktober gaben Vertreter:innen der fünf größten Stämme bekannt, dass sie sich hinter Hofmeisters Kampagne stellen. „Die diesjährigen Gouverneurswahlen in Oklahoma sind für alle Oklahomer die wichtigsten seit Generationen, und deshalb unterstützen die Führer der fünf Stämme Joy Hofmeister als 29. Gouverneurin Oklahomas,“ erklären die Stammesvertreter:innen in einem Statement.
Ob es für Hofmeister in Oklahoma oder Drazan in Oregon zum Sieg reichen kann, wird sich am 8. November zeigen.
Quellen: Semafor, The Oregonian, City Journal, OPB, Politico, Tulsa World, USA Today
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