Gouverneurswahl in Virginia: Wahlkampf auf Messers Schneide

US-Wahl 2021

2020 gewann Joe Biden den Südstaat Virginia noch mit mehr als 10 Prozent Vorsprung. Ein Jahr später müssen die Demokrat:innen um den Sieg bei der dortigen Gouverneurswahl zwischen Terry McAuliffe und Glenn Youngkin bangen – mit möglichen Implikationen für die Zwischenwahlen 2022.

Noch im Sommer sah es so aus, als hätte Terry McAuliffe wenig Schwierigkeiten, die diesjährige Gouverneurswahl in Virginia für sich zu entscheiden. Mit mehr als 63 Prozent der Stimmen hatte er sich deutlich die Nominierung zum Gouverneur seiner Demokratischen Partei gesichert und verfügte über einen stabilen Umfragevorsprung auf seinen republikanischen Kontrahenten Glenn Youngkin. Neben seiner Bekanntheit und seinem Spendennetzwerk sprach für den Demokraten auch, dass Joe Biden Virginia im vergangenen Jahr mit mehr als 10 Prozent Vorsprung auf Donald Trump gewinnen konnte und der Staat sich in den vergangenen Jahren zunehmend in Richtung der Demokrat:innen bewegte.

McAuliffe, der bereits von 2014 bis 2018 Gouverneur Virginias war, konnte sich also gute Chancen ausrechnen, an seine vorherige Amtszeit anzuknüpfen – und das, obwohl die Partei eines neu gewählten US-Präsidenten seit 1973 nicht mehr in der Lage war, die anschließende Gouverneurswahl in Virginia zu gewinnen.

Youngkin legt auf den letzten Metern zu

Eine Woche vor der Wahl am 2. November hat sich das Rennen nun allerdings zu einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen zugespitzt – mit umfassenden Implikationen für die Zwischenwahlen 2022.

Zu den Umfragen der Gouverneurswahl 2021 in Virginia

McAuliffes Umfragewerte sind mittlerweile auf einen Bruchteil seines früheren Vorsprungs zusammengeschmolzen und das Momentum scheint auf Youngkins Seite zu liegen. Gründe hierfür sind auch auf nationaler Ebene bei der schwindenden Beliebtheit von Joe Biden zu suchen, die sich auch auf Virginia erstreckt. Seit dem viel kritisierten Abzug der US-Truppen aus Afghanistan Ende August sind Bidens Zustimmungswerte landesweit eingebrochen. Auch in Virginia lag Bidens Zustimmung Ende September nur noch bei 49 Prozent.

McAuliffe selbst räumte kürzlich gegenüber einer Gruppe Unterstützer:innen ein, dass die veränderte Situation in Washington, D.C. einen negativen Einfluss auf das Rennen in Virginia hat. „Da müssen wir jetzt durchackern“, erklärte er ernüchtert. Eine Möglichkeit, den strauchelnden Demokrat:innen Aufwind zu verleihen, wäre Bidens Infrastrukturpaket, das allerdings weiterhin ohne Mehrheit im Repräsentantenhaus feststeckt, nachdem es den Senat mit überparteilicher Zustimmung passiert hatte. In einem Interview mit CNN kommentierte McAuliffe die fehlende Einigkeit der Demokrat:innen im Kongress mit einem schlichten, „macht euren Job“. Angesichts der verfahrenen Situation ist nicht abzusehen, ob das Gesetz noch vor der Wahl verabschiedet wird.

Auch Glenn Youngkin ist in seinem Wahlkampf nicht frei von nationalem Einfluss, obwohl seine Kampagne inhaltlich auf eher lokale Themen wie Bildung abzielt. Umgehend nach seinem Sieg beim republikanischen Nominierungsparteitag erhielt er die formelle Unterstützung von Ex-Präsident Donald Trump. Youngkin versucht aber anders als andere republikanische Kandidat:innen die Bindung zu Donald Trump so lose wie möglich zu halten. Zwar benötigt er dessen Unterstützung, um die republikanische Basis an die Wahlurne zu bringen. Andererseits droht Trump moderatere Wähler:innen zu verprellen, die Youngkin braucht, um die Wahl zu gewinnen. Denn weiterhin verbreitet der ehemalige Präsident seine widerlegten Wahlbetrugstheorien zur US-Wahl 2020 – auch in Virginia.

Ein Rezept für 2022?

Bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr steht das gesamte Repräsentantenhaus, ein Drittel des Senats sowie 36 Gouverneursposten zur Wahl. Entsprechend aufmerksam verfolgen Kampagnen beider Parteien im ganzen Land das Rennen in Virginia. Sie erhoffen sich, aus dem Aufeinandertreffen von McAuliffe und Youngkin Erkenntnisse für ihre eigenen Wahlkämpfe ableiten zu können.

Als erste maßgebliche und kompetitive Wahl der Biden-Präsidentschaft, bei der zudem Donald Trump weder direkt noch indirekt als Präsident auf dem Wahlzettel zur Abstimmung steht, ist das Ergebnis richtungsweisend. Sollte sich etwa Youngkin durchsetzen, könnten weitere republikanische Kandidat:innen seine Strategie kopieren, um unabhängige und Wechselwähler:innen zurückzugewinnen, die die Republikanische Partei 2020 und bei den Zwischenwahlen 2018 Stück für Stück verloren hat.

Je nachdem, ob vor der Wahl noch ein weiteres Finanzpaket den Kongress passiert, könnte das Wahlergebnis auch die Debatte um die Agenda der Biden-Regierung neu entfachen – insbesondere, wenn der Wahlabend in einer Niederlage für die Demokraten mündet. Von progressiver Seite dürfte dann der Druck zunehmen, radikalere Schritte zu unternehmen, um noch möglichst viele Punkte der Wahlversprechen aus 2020 umzusetzen. Moderate Abgeordnete aus umkämpften Wahlkreisen dürften hingegen verstärkt versuchen, auf die Bremse zu treten und die Kosten im Zaum zu halten.

Ein demokratischer Sieg hingegen wäre eine weitere Verschnaufpause für die Regierungspartei, die 2022 ihre kleinen noch verbleibenden Mehrheiten im Kongress verteidigen muss. In diesem Fall würden die Demokrat:innen unter anderem Rückschlüsse darauf ziehen können, welche Auswirkung Corona-Restriktionen auf das Wahlverhalten der Bevölkerung haben und ob die Assoziation einzelner Kandidat:innen zu Donald Trump Wahlen entscheiden kann.

Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass McAuliffe weiterhin der Favorit in diesem Rennen ist und eine Niederlage des Demokraten vor wenigen Wochen noch äußerst unwahrscheinlich erschien. Entsprechend hochkarätig fiel in den letzten Tagen auch die Unterstützung aus, die McAuliffe von seinen Parteikolleg:innen erhielt. Neben der Wahlrechtsaktivistin und ehemaligen Gouverneurskandidatin in Georgia, Stacy Abrams, First Lady Jill Biden und Barack Obama machte auch Präsident Joe Biden Wahlkampf in Virginia, um für McAuliffe zu werben.