Ranked Choice Voting: New York City startet mit neuem Wahlsystem

2019 stimmten die New Yorker:innen für die Einführung eines Rangwahlsystems, das bei den kommenden Bürgermeistervorwahlen zum ersten Mal in großem Stil zum Einsatz kommt. Die Wahlen in der größten US-Metropole werden damit zu einer wichtigen Bewährungsprobe für das immer beliebter werdende Wahlsystem. Doch wie unterscheidet es sich von seinem Vorgänger und was sind seine Vorteile?

Schlange vor einem Wahllokal in New York CIty bei der US-Wahl 2016.
Schlange vor Wahllokal in New York City

In New York City sind die Vorwahlen zum Bürgermeisterposten der Stadt in vollem Gange. Mehr als 3 Millionen demokratische und eine halbe Million republikanische Vorwähler:innen sind aufgerufen, über ihre Kandidat:innen für die Nachfolge des aktuellen Bürgermeisters Bill de Blasio abzustimmen. Während es bei den Republikanern auf einen Zweikampf zwischen Curtis Sliwa und den Unternehmer Fernando Mateo hinausläuft, sind auf Seiten der Demokraten mehr als ein Dutzend Kandidat:innen im Rennen.

Ein Grund für das vergleichsweise große Feld ist das neue Wahlsystem. Denn seit diesem Jahr setzt New York City auf Ranked Choice Voting – ein Rangwahlsystem mit sofortiger Stichwahl, bei dem die Wähler:innen die Kandidat:innen nach Präferenz ordnen, statt sich für eine Person entscheiden zu müssen. In New York City lassen sich so bis zu fünf Kandidat:innen auswählen und als erste, zweite, dritte, vierte und fünfte Wahl bestimmen.

Wenn nach der ersten Auszählrunde niemand mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten hat, werden Schritt für Schritt die Kandidat:innen mit den wenigsten Stimmen eliminiert. Deren Stimmen werden dann entsprechend der Präferenz auf die verbliebenen Kandidat:innen verteilt, bis ein:e Gewinner:in feststeht. Diese eingebaute Stichwahl stellt sicher, dass niemand die Wahl gewinnen kann, ohne eine absolute Mehrheit der Wähler:innen hinter sich zu haben.

Vorteile von Ranked Choice Voting

Das neue Rangwahlsystem soll mehrere Nachteile des relativen Mehrheitswahlrechts beseitigen, das bisher das dominante Wahlsystem in den Vereinigten Staaten ist.

  1. Absolute Mehrheit
    Bei den meisten Wahlen in den USA kommt ein relatives Wahlsystem zum Einsatz – es gewinnt also, wer die meisten Stimmen bekommt. Beispielsweise setzte sich so bei der demokratischen Senatsvorwahl in Tennessee 2020 Marquita Bradshaw mit nur 35 Prozent der Stimmen durch. Bradshaw hatte also fast zwei Drittel der Wähler:innen gegen sich. Was in nahezu allen Bundesstaaten grundsätzlich möglich wäre, hätte Ranked Choice verhindert, denn alle Wahlsieger:innen müssen zwangsläufig eine absolute Mehrheit der Stimmen hinter sich haben.
  2. Erschwert negativen Wahlkampf
    Negative und polarisierende Wahlkämpfe sind in den USA sehr stark ausgeprägt. Kandidat:innen können davon profitieren, sich gegenseitig zu untergraben und zu diskreditieren, wenn sich dadurch beispielsweise Wähler:innen der Gegenseite gegen den Urnengang entscheiden. Die Rangwahl erschwert diese Art Wahlkampf jedoch, da die Kandidat:innen einen möglichst breiten Querschnitt der Bevölkerung ansprechen müssen, um zu gewinnen. Negativen Wahlkampf gegen einzelne Kandidat:innen zu führen, kann sich somit negativ auf die eigenen Siegchancen auswirken.
  3. Keine Spoiler
    Beim relativen Mehrheitswahlrecht ist grundsätzlich das politische Lager im Vorteil, das möglichst geschlossen ins Rennen geht. Einen entsprechend großen Einfluss können sogenannte Spoiler auf den Ausgang der Wahl haben. Diese Spielverderber:innen haben meist selbst kaum Aussichten auf Erfolg, können jedoch politisch ähnlich positionierte Kandidat:innen die nötigen Stimmen für den Wahlsieg kosten. Bei der Präsidentschaftswahl 2000 gewann beispielsweise der republikanische Kandidat George W. Bush den Bundesstaat Florida mit 537 Stimmen Vorsprung auf seinen demokratischen Kontrahenten Al Gore und damit die Präsidentschaft. Viele Demokrat:innen machten daraufhin den Kandidaten der Grünen, Ralph Nader, für Gores Niederlage verantwortlich. Nader gewann in Florida 97.488 Stimmen, die Gore den Sieg hätten sichern können. Bei Rangwahlen werden die Stimmen kleinerer Kandidat:innen nach ihrem Ausscheiden allerdings weiterverteilt und vermindern damit den Spoiler-Effekt.
  4. Vielfältigere ideologische Auswahl
    Da es bei einer Rangwahl nicht darauf ankommt, möglichst wenige Kandidat:innen eines politischen Lagers auf dem Wahlzettel stehen zu haben, lässt sich ein wesentlich größeres ideologisches Spektrum abdecken. So treten in New York City beispielsweise gleich mehrere progressive Kandidat:innen an, die allesamt unterschiedliche Prioritäten und Ausrichtungen haben. Dadurch haben Wähler:innen eine wesentlich größere Auswahl, ohne befürchten zu müssen, ihre einzige Stimme zu vergeuden und damit dem politischen Gegner in die Hände zu spielen.
  5. Schwächt strategische Stimmabgabe
    Auch die strategische Stimmabgabe, die ein fester Bestandteil von Mehrheitswahlen ist, spielt bei Rangwahlen kaum eine Rolle. Wähler:innen müssen ihre Stimme beispielsweise nicht dem geringeren Übel geben, um ein größeres Übel zu verhindern. Stattdessen können sie wählen, wen sie wirklich bevorzugen. Die Beschränkung auf fünf Präferenzen in New York City bedeutet allerdings, dass auch hier zumindest bei der letzten Präferenz strategisch vorgegangen werden muss, um die Stimme nicht doch völlig zu verlieren.
  6. Erspart Stichwahlen
    Mit der eingebauten Stichwahl des Rangwahlsystems werden auch weitere Urnengänge wie etwa Stichwahlen überflüssig. Das spart nicht nur Geld, sondern löst auch das Problem der oft niedrigeren Wahlbeteiligung bei Stichwahlen. Grundsätzlich ließe sich so auch auf Vorwahlen verzichten, wenn alle Kandidat:innen auf einem Wahlzettel kandidieren, wie es etwa in Louisiana der Fall ist.

Kompliziertes System und langwierige Auszählung

Natürlich ist dieses Wahlsystem nicht ohne seine Nachteile. So muss zuerst einmal die hohe Hürde genommen werden, der Bevölkerung zu erklären, wie die Rangwahl funktioniert. Hierzu sind umfangreiche Informationskampagnen nötig, da sich das Wahlrecht maßgeblich vom bisherigen unterscheidet. Dies ist besonders wichtig, um zu verhindern, dass Wähler:innen falsch abstimmen oder im schlimmsten Fall aus Frust sogar zuhause bleiben.

Auch dauert die Auszählung bei Ranked Choice Voting meist länger als beim bisherigen Wahlsystem, da die Stimmen nach jeder Eliminierungsrunde neu verteilt werden müssen. New York City setzt hierfür beispielsweise auf eine Softwarelösung, mit der die Auszählung und Umverteilung der Stimmen beschleunigt und gesichert werden soll. Trotzdem ist davon auszugehen, dass dieser Prozess mehrere Wochen dauern wird, bevor ein:e Sieger:in feststeht.