Amy Coney Barrett: Wer ist Trumps Kandidatin für den Supreme Court?

Mit der Nominierung von Amy Coney Barrett soll möglichst noch vor der US-Wahl eine Nachfolgerin für die verstorbenen Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg vom Senat bestätigt werden. Doch wer ist die Bundesrichterin aus Indiana und wie könnte sie den Supreme Court und damit die rechtliche Ausrichtung der Vereinigten Staaten die nächsten Jahrzehnte gestalten?

Amy Coney Barrett wurde 1972 in Louisiana geboren. Nach ihrem Bachelorstudium am Rhodes College studierte die streng gläubige Katholikin Jura an der Universität Notre Dame und schloss ihr Studium 1997 als Jahrgangsbeste ab. Im Anschluss an ihr Studium war Barrett unter anderem als Rechtsreferentin für den damaligen Supreme-Court-Richter Antonin Scalia tätig, den sie als Mentor betrachtet.

2002 kehrte sie nach Notre Dame zurück und schlug eine Karriere als Dozentin ein. Dort lehrte sie unter anderem Verfassungsrecht, ab 2010 dann als Professorin. 2017 nominierte Präsident Trump Amy Coney Barrett für einen Posten als Bundesrichterin. Bei der Anhörung im US-Senat wurde auch ihr Glauben kontrovers diskutiert. Fünf Monate nach ihrer Nominierung wurde Barrett mit 55 zu 43 Stimmen vom Senat bestätigt. Drei Demokraten schlossen sich der republikanischen Mehrheit an.

Während der Anhörung stellten die Demokraten Barretts Befähigung als Bundesrichterin aufgrund ihrer religiösen Ansichten infrage. So wurde die siebenfache Mutter schlagartig zu einer Ikone der konservativen Rechten in die USA. Der republikanische Senator Chuck Grassley kritisierte die Herangehensweise der demokratischen Senatoren etwa als religiösen Test.

Ein Punkt, der bei Barretts Anhörung 2017 nicht zur Sprache kam, ist ihre Verbindung zu der Glaubensgemeinschaft „People of Praise“. Die Mitglieder dieser katholische Gruppierung bekommen einen geistlichen Beistand zugewiesen, der für sie unter anderem wichtige Lebensentscheidungen trifft, wie der Guardian berichtet. Für verheiratete Frauen übernimmt der Ehemann diese Rolle. Ob die demokratischen Senatoren sich diesmal für eine Befragung zu Barretts Religionszugehörigkeit entscheiden bleibt abzuwarten.

Positionen als Bundesrichterin

Vor Ginsburgs Tod hatten die konservativen Richter am Supreme Court eine knappe Mehrheit von fünf zu vier Stimmen. Allerdings kam es häufig vor, dass sich einer der konservativen Richter der liberalen Minderheit anschloss. So sorgte etwa der oberste Richter John Roberts mit seinem Votum dafür, dass das Gesundheitsgesetz der Obama-Administration als Verfassungskonform bestätigt wurde.

Mit Amy Coney Barrett würde sich das Stimmenverhältnis auf sechs konservative Richter erhöhen. Liberale und Demokraten befürchten nun, dass Barrett dafür sorgen könnte, dass der Supreme Court weiter nach rechts rückt. Insbesondere Barretts frühere Äußerungen sowie ihr Abstimmungsverhalten als Bundesrichterin beunruhigt Aktivisten und Politiker gleichermaßen.

Abtreibung

Eine der Befürchtungen liberaler Amerikaner beruht darauf, dass der Supreme Court mit dem neuen Machtverhältnis das Gerichtsurteil „Roe v. Wade“ aufheben könnte, das 1973 Abtreibungen in den Vereinigten Staaten legalisierte. Dies wird dadurch bestärkt, dass Barrett Abtreibung als „stets verwerflich“ bezeichnet hat.

Als Bundesrichterin musste sie bisher nicht über das Recht auf Abtreibung entscheiden. Allerdings signalisierte sie mit ihrem Abstimmungsverhalten, dass sie Urteile ablehnt, die Gesetze zur Erschwerung von Abtreibungen für verfassungswidrig erklären.

Waffenkontrolle

Auch beim Waffenrecht könnte Amy Coney Barrett dem Supreme Court eine noch konservativere Ausrichtung bescheren. So stimmte sie 2019 als einzige von drei Richtern für die Aufhebung eines Gesetzes des Staates Wisconsin, das allen Straftätern den Besitz von Schusswaffen untersagt. Der Kläger in diesem Fall war kein Gewaltverbrecher. Barrett stufte ihn deshalb als ungefährlich ein und argumentierte, dass das Gesetz zu breit gefasst sei.

Obamacare

Die größte Befürchtung liegt jedoch darin, dass Barretts Stimme darüber entscheiden könnte, ob die Gesundheitsreform der Obama-Administration bestehen bleibt und Millionen Amerikaner ihre Gesundheitsversicherung behalten. So machte Barrett deutlich, dass sie den Kompromiss ablehnte, der einen Teil des „Affordable Care Acts“ als Steuer einstufte. Zudem sprach sie sich gegen die Pflicht aus, dass Versicherungen auch Verhütungsmittel abdecken müssen. Barrett sieht dies als Verletzung religiöser Freiheit. Bereits am 10. November wird sich der Supreme Court mit der nächsten Klage gegen das Gesundheitsgesetz befassen.

Nominierung mit dem Wahlkampf im Hinterkopf

Für Donald Trump ergibt die Nominierung von Amy Coney Barrett aus mehreren Gründen Sinn: Einerseits ist sie sowohl im Weißen Haus als auch im Senat respektiert und beliebt – zumindest auf Seiten der Republikaner. Eine republikanische Mehrheit im Senat dürfte ihr also sicher sein. Darüber hinaus sind ihre konservativen Positionen bestens dazu geeignet, die republikanische Basis so kurz vor der US-Wahl zu befeuern und zu mobilisieren.

Bereits 2016 profitierte Donald Trump als republikanischer Präsidentschaftskandidat von der Aussicht, dass er konservative Richter für den Supreme Court nominieren würde. Die Hoffnung der Republikaner ist nun, dass Barretts Berufung als Supreme-Court-Richterin einen ähnlichen Effekt auf die Wahlabsichten konservativer Wähler bei der diesjährigen US-Wahl hat.