Kampf um die Briefwahl: Die tragende Rolle der US-Post

Viele Amerikaner möchten gerne per Briefwahl abstimmen. Doch die US-Post steckt seit Längerem in finanziellen Schwierigkeiten und kann möglicherweise die Wahlbriefe nicht fristgerecht übermitteln.

Demonstranten protestieren vor einem Postgebäude.
20200817_Briefwahl USPS_Demonstranten

Lange Warteschlangen vor den Wahllokalen könnten dieses Jahr bei den US-Präsidentschaftswahlen kaum zu sehen sein. Die Corona-Fallzahlen sind landesweit unverändert hoch, was viele Wahlberechtigte von einer Briefwahl überzeugen dürfte. Das Problem dabei: Die US-Post (USPS) ist möglicherweise nicht in der Lage, die Wahlbriefe fristgerecht zu übermitteln. 

Schon seit Längerem kämpft der USPS mit finanziellen Problemen. Zwar ist die Post eine öffentliche Behörde, trotzdem erhält sie keine Steuergelder, sondern ist vom laufenden Geschäft abhängig. Das geriet in den vergangenen Jahren allerdings durch die Digitalisierung, kostspielige Sozialleistungen und die erstarkte Konkurrenz von Amazon und Co. ins Stocken. Pandemiebedingt wurden zwar kurzfristig mehr Pakete verschickt, dennoch schreibt der Postdienst weiterhin tiefrote Zahlen. Insgesamt bestehen mehr als 150 Milliarden Dollar Schulden – mehr als das Doppelte der Einnahmen im Jahr 2019.

Retten könnte den USPS ein Hilfspaket, doch Präsident Trump sträubt sich gegen jegliche finanzielle Unterstützung. Seit Monaten kritisiert er die Post und die Briefwahl. Er argumentiert, dass letztere zu Wahlbetrug führen könne. Trump warnt vor einer „katastrophal unübersichtlichen Situation“, in der Stimmzettel verloren gehen oder absichtlich weggeworfen werden könnten. „Unser Land wird sich lächerlich machen“, verkündete er Reportern im Weißen Haus. Unabhängigen Studien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit von Wahlbetrug bei Briefwahlen jedoch äußerst klein. Beispielsweise hält der Staat Oregon seit dem Jahr 2000 ausschließlich Briefwahlen ab und hat dabei nur 14 Fälle von versuchtem Wahlmissbrauch gemeldet.

Neuer US-Postchef fährt rigoroses Sparprogramm

Im Mai ernannte die USPS-Leitung Louis DeJoy zum neuen Postchef. Dieser machte sich als großzügiger Spender in Trumps Wahlkampf und für die Republikanische Partei einen Namen. Der neue Postchef fährt einen drastischen Sparkurs: In mehreren Bundesstaaten wurden bereits Briefkästen und Sortiermaschinen abgebaut sowie die Öffnungszeiten verkürzt. 

Statt sich für das milliardenschwere geforderte Hilfspaket einzusetzen, nutzt DeJoy die entstandene finanzielle Not, um diese operativen Änderungen zu rechtfertigen. Die Einsparungen gefährden jedoch die fristgerechte Übermittlung der Wahlzettel im November. Sogar der USPS selbst warnte Mitte August in einer landesweiten Mitteilung vor Verspätungen beim Transport der Wahlzettel in nahezu allen Bundesstaaten.

In diesen Staaten ist Briefwahl möglich

Indem Trump die Finanzierung des US-Postdienstes direkt mit der Briefwahl verknüpft, nährt er die Anschuldigungen, das Postsystem für seine politischen Zwecke manipulieren zu wollen. In einem Interview mit dem US-Sender Fox News gab er zu, dass er das Hilfspaket blockiert, um eine reibungslose Briefwahl zu verhindern. Von verspäteten Wahlzetteln könnte Trump durchaus profitieren: Forschern der Universität Monmouth zufolge wollen aktuell mehr als die Hälfte der demokratischen Wähler brieflich abstimmen, während nur 22 Prozent der Republikaner auf diese Art ihre Stimme abgeben möchten. Dies dürfte nicht zuletzt mit Trumps Stimmungsmache gegen die Briefwahl zu tun haben.

Demokraten fordern rasche Aufklärung

Die Demokraten übten indes scharfe Kritik an Trump und DeJoy. „Der Präsident sabotiert eine Grundversorgung, auf die Millionen von Menschen angewiesen sind und kappt damit eine entscheidende Lebensader für die ländliche Wirtschaft und Medikamentenlieferungen, weil er den Amerikanern ihr Grundrecht auf sichere Wahlen vorenthalten will“, erklärte Andrew Bates, Sprecher der Biden-Kampagne. 

Auch weitere hochrangige Demokraten wie Barack Obama, Chuck Schumer und Nancy Pelosi kritisierten DeJoys Handlungen. Für die Demokraten könnte sich diese Debatte sehr wohl lohnen: Der USPS geniesst bei den Amerikanern großen Rückhalt, insbesondere in den ländlichen Regionen und bei Veteranen. Diese Bevölkerungsgruppen wählen traditionell eher republikanisch.

Insbesondere in Städten wie Philadelphia und Detroit hat die Post mit Mitarbeitermangel zu kämpfen.
20200817_Briefwahl USPS_Briefkasten

Mittlerweile hat der Postdienst zumindest in den westlichen Bundesstaaten das Entfernen der Briefkästen bis nach den Wahlen ausgesetzt. Um seine Handlungen zu erklären, wurde DeJoy wurde vom Kongress vorgeladen. Bei den Anhörungen parierte er den Großteil der Fragen mit der Erklärung, dass die Kürzungen schon seit Jahren geplant gewesen seien. Allerdings gestand er einen pandemiebedingten Mitarbeitermangel ein, an dem der USPS in Städten mit einem großen Anteil von Afroamerikanern leidet. „An gewissen Tagen fehlen in Philadelphia 200 Briefträger“, so DeJoy. 

Da es unwahrscheinlich ist, dass diese Defizite bis November behoben sind, droht somit bei den Präsidentschaftswahlen eine massive Wählerunterdrückung von Afroamerikanern. Der Postchef zeigt sich jedoch „äußerst zuversichtlich“, dass eine Briefwahl 2020 problemlos funktionieren und er zusätzliches Personal einstellen werde – blieb jedoch vage hinsichtlich konkreter Maßnahmen. Seinen eigenen Wahlzettel werde er selbstverständlich auch per Briefwahl übermitteln, so DeJoy.